Pressemitteilungen 

11.10.2017

Stellungnahme zu Werbeschreiben einer Düsseldorfer Kanzlei

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Forum 270 ist ein Zusammenschluss führender Restrukturierungsberater und Insolvenzpraktiker, der es sich zum Ziel gemacht hat, dem Sanierungsinstrument der Eigenverwaltung nach § 270 der Insolvenzordnung (InsO) eine Stimme zu geben. In dieser Rolle sehen wir es als unsere Aufgabe, zum nachhaltigen Erfolg der Eigenverwaltung beizutragen, in dem wir unter anderem auf Fehlentwicklungen hinweisen und – womöglich – diesen entgegenwirken.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir in diesem Schreiben offen Stellung zu den Werbeschreiben einer Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei, das Unternehmer, Gläubigervertreter sowie weitere Branchenteilnehmer gleichermaßen in einem großen Ausmaß irritiert und für branchenweite Diskussionen gesorgt hat. Überregionale Wirtschafts- und Nachrichtenmedien, wie das Wirtschaftsmagazin BILANZ, die Tageszeitung DIE WELT („Unsittliches Angebot für Trigema-Chef Grupp“) sowie das Nachrichtenmagazin FOCUS („Auf Kosten der Steuerzahler. Anwalt will Trigema-Chef in die Insolvenz locken“), haben dieser Aktion überdies eine äußerst kritische Berichterstattung gewidmet.

1. Die Eigenverwaltung ist ein gutes Instrument, um Unternehmen nachhaltig zu sanieren

Die im Jahr 2012 in die Insolvenzordnung eingefügten Möglichkeiten des Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahrens sowie die Überarbeitung der Vorschriften zum Insolvenzplan haben in den vergangenen fünf Jahren zum Beginn eines Wandels in der Insolvenzkultur in Deutschland geführt. Namhafte und öffentlichkeitswirksame Fälle tragen dazu bei, diese Instrumente in das allgemeine Bewusstsein zu rücken und mit der Vorstellung zu verbinden, dass die Insolvenz nicht das Aus für ein Unternehmen bedeuten muss, sondern in vielen Fällen günstige Rahmenbedingungen für einen Neustart schaffen kann. Aber auch und gerade eine Vielzahl von Fällen aus dem deutschen Mittelstand, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, aber bei denen es insgesamt um viele tausend Arbeitsplätze geht, zeigen den Beteiligten immer wieder, wie erfolgreich Unternehmen heute im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens saniert werden können. 

Damit stehen wir in Deutschland erst am Anfang eines Wandels zu einer Sanierungskultur, wie sie in den USA oder England bereits existiert. Die durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) geschaffene Möglichkeit trägt maßgeblich dazu bei, dass ein Unternehmen in eigener Verantwortung die erforderliche Restrukturierung mit Hilfe der Insolvenzordnung anpacken kann. Ein vom Gericht eingesetzter Sachwalter wacht über die Einhaltung der Gläubigerinteressen, die auch in einer Eigenverwaltung an erster Stelle stehen.

Der Werkzeugkasten der Insolvenzordnung mit seinen vereinfachten Kündigungs-möglichkeiten und der Zahlung von Insolvenzgeld sind bei den Sanierungsbemühungen ebenso wie in einem Fremdverwaltungsverfahren eine erhebliche Hilfe. Eine Sanierung gelingt aber nicht allein auf Basis dieses Werkzeugkastens. In aller Regel muss es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Krisenursachen und großen Veränderungen im Unternehmen kommen. Meist ist dies auch mit einem Mentalitätswechsel verbunden, der oftmals allen Beteiligten schwer fällt.

Die Entwicklung gibt uns Recht: Nach und nach nehmen Unternehmer die Möglichkeiten des ESUG wahr und nutzen die neu geschaffenen Instrumente nicht erst, wenn eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist, sondern bereits, wenn eine Zahlungsunfähigkeit droht, sie aber noch über Bewegungsspielräume verfügen. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers und ist zu begrüßen.

Aber: Die Eigenverwaltung und die mit ihr einhergehenden Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens sind nicht dazu gemacht, Unternehmen möglichst billig zu sanieren. Es geht nicht darum, ein Verfahren in Gang zu setzen, das es dem Unternehmer ermöglicht, ohne frisches Kapital von außen und mit einer geringstmöglichen Quotenzahlung Herr im Haus zu bleiben. Nein! Ziel der Eigenverwaltung ist es, das im Unternehmen bzw. im Management vorhandene Know-how zu nutzen, um allein für den Fall, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, einen Weg zu finden, wie der Schaden für die Gläubiger so gering wie möglich gehalten werden kann. Statt billigstmögliche Sanierung muss es heißen: bestmögliche Befriedigung der Gläubiger gemäß § 1 InsO. Diesem Grundsatz fühlen wir uns im Forum 270 verpflichtet.

2. Werbeschreiben schadet dem Ansehen der Eigenverwaltung

Das nun kursierende Werbeschreiben fügt dem Ansehen der Eigenverwaltung erheblichen Schaden zu und erschwert vielen Unternehmen den Rückgriff auf dieses wichtige und bewiesenermaßen funktionierende Sanierungsinstrument nachhaltig. Aus diesem Grund möchten wir nachfolgend einige der darin aufgestellten Behauptungen im Einzelnen richtigstellen und damit den Eindruck entkräften, die Eigenverwaltung sei nur ein Mittel, um die Gläubiger zu benachteiligen.

a) Es wird in dem Schreiben der Eindruck erzeugt, dass durch die rechtzeitige Einleitung eines Verfahrens private Bürgschaften  oder sonstige Haftungserklärungen nicht zum Tragen kommen.

Klarstellung eins: Diese Aussagen sind in ihrer Generalität nicht richtig, wie wir aus einer Vielzahl von durchgeführten Verfahren selber wissen. Zwar ergibt sich bei rechtzeitiger Planung tatsächlich eine höhere Erfolgschance auch Bürgschafts- und sonstige in das Privatvermögen hineinreichende Verpflichtungen zu lösen, es bedarf aber einer gewissenhaften Analyse im Vorfeld der Verfahrensdurchführung, um die Chancen und Auswirkungen beurteilen zu können. Und es darf bei allem nicht vergessen werden: Grundvoraussetzung für jede Lösung bleibt, dass das Vertrauen zwischen den Beteiligten intakt ist. Ein überraschender Insolvenzantrag, und sei er noch so gut vorbereitet, trägt dazu keinesfalls bei.


b) Entgegen der Aussage im Werbeschreiben ist es nicht so, dass bei rechtzeitiger Planung eines solchen Verfahrens eine nahezu hundertprozentige Erfolgschance besteht und eine Sanierung in der Regel ohne die Zuführung externer Mittel gelingt.


Klarstellung zwei: Vielmehr ist es so, dass der Unternehmer vor dem Antrag darauf hingewiesen werden muss, dass das Verfahren auch in der Eigenverwaltung nur in enger Abstimmung mit den Gläubigern geführt werden kann. Nur wenn auch diese vom Sanierungskurs überzeugt werden können, kann die Restrukturierung im Verfahren gelingen. Dies bedeutet, dass das mögliche Scheitern aus Sicht des Unternehmers von vornherein zu berücksichtigen ist. Der Unternehmer muss sich an alternativen Lösungsmodellen messen lassen. So kann es nämlich sein, dass sich im Rahmen der auch in der Eigenverwaltung durchgeführten M&A-Prozesse Investoren engagieren, die im Ergebnis zu einer höheren Gläubigerbefriedigung beitragen. Selbstverständlich ist dann auch in der Eigenverwaltung diesen Investoren der Vorzug zu geben. Es ist Augenwischerei, dem Unternehmer zu suggerieren, er käme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne fresh money durch das Verfahren.

c) Es heißt in dem Schreiben der Düsseldorfer Anwaltskanzlei weiterhin, dass die ungesicherten Gläubiger und das Insolvenzgeld in der Regel nur mit einer geringen Quote befriedigt werden.


Klarstellung drei: Das ist so verallgemeinernd nicht richtig und hat allein das Ziel, beim „unbedarften“ Leser den Eindruck zu erwecken, er könne sich dieser Verbindlichkeiten billig entledigen. Tatsächlich ist es doch aber so, dass auch im Insolvenzverfahren die Quote gezahlt wird, die sich bei bestmöglicher Verwertung des Unternehmens, und das ist oft die Sanierung, ergibt. Die Gläubiger erhalten das, was im Unternehmen an materiellen und immateriellen Werten vorhanden ist.


3. Abschließende Bewertung


Durch all diese Aussagen soll offensichtlich bei Unternehmern der Eindruck erweckt werden, dass durch die Eigenverwaltung und den Schutzschirm auf einfachem und billigem Weg eine Rettung des eigenen Unternehmens und des eigenen Vermögens möglich ist. Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass in derartigen Werbebriefen nicht alle Schwachstellen und Probleme aufgezählt werden. In Anbetracht der erheblichen Komplexität der Verfahren halten wir allerdings das Vermitteln des Eindrucks eines nahezu sicheren Erfolges ohne den Einsatz eigener Mittel auf Kosten der Gläubiger für unangemessen.


Die Vorgehensweise, die durch den Werbebrief nahegelegt wird, erzeugt auf lange Sicht bei den wesentlichen Stakeholdern ein Misstrauen gegen die neuen Sanierungsinstrumente, das dazu führt, dass die Akzeptanz diesen gegenüber wieder sinkt und sich keine Sanierungskultur in Deutschland etablieren kann. Dies führt langfristig auch zu Nachteilen des Standorts Deutschland, da auch ausländische Investoren eine solche Akzeptanz erwarten, vor allem wenn sie aus dem anglo-amerikanischen Raum stammen.


Wir werben daher für einen professionellen und verantwortungsbewussten Umgang mit den neuen Regelungen, um eine Sanierungskultur in Deutschland weiter zu etablieren.


Mit kollegialen Grüßen

Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e. V.

Thomas Oberle, Rechtsanwalt, Schilling, Zutt & Anschütz
Dr. Georg Bernsau, Rechtsanwalt, BBL Bernsau Brockdorff
Andreas Elsässer, Rechtsanwalt, Schultze & Braun
Dr. Dirk Andres, Rechtsanwalt, AndresPartner
Dr. Thorsten Bieg, Rechtsanwalt, Steuerberater, Betriebswirt, Görg
Silvio Höfer, Rechtsanwalt, Anchor
Dr. Gerrit Hölzle, Rechtsanwalt, Görg
Dr. Alexander Höpfner, Rechtsanwalt, BBL Bernsau Brockdorff
Marc-Philippe Hornung, Rechtsanwalt, MBA, Schilling, Zutt & Anschütz
Burkhard Jung, Diplom-Ingenieur, Sanierungsberater CMC/BDU, hww
Alexander Reus, Rechtsanwalt, Betriebswirt (VWA), Anchor
Dr. Stefan Weniger, Rechtsanwalt, Sanierungsberater CMC/BDU, hww
Marcus Winkler, BBL Bernsau Brockdorff, Rechtsanwalt

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